Kräuter zwischen Himmel und Erde

Rosmarin - Rosmarinus officinalis

Ein Blick in alte Bräuche und ihre Symbolik

 

Kräuter sind mehr als nur duftende Pflanzen, die den Lebenden ihre heilende Kraft zur Verfügung stellen. Mit ihren Wurzeln tief in der Erde und ihren Zweigen, die dem Himmel entgegenstreben, stehen sie zwischen den Welten. In alten Bestattungsritualen hatten sie zwei Funktionen: Sie überdeckten den Geruch des Todes und reinigten den Raum – gleichzeitig gaben sie den Hinterbliebenen ein sichtbares Zeichen.

Ein Rosmarinzweig, ein Efeublatt oder ein Wacholderzweig erzählten Geschichten von Treue, Unvergänglichkeit oder vom ewigen Leben. Wenn man sich mit diesen Bräuchen beschäftigt, kann man spüren, wie stark Pflanzen als Sprache wirken können, wenn Worte fehlen.

 

Beifuß – das Schutzkraut

Beifuß (Artemisia vulgaris) wurde in vielen Regionen Mitteleuropas als Abwehrpflanze gegen böse Geister angesehen. In Bestattungsritualen legte man Beifuß in Särge oder verräucherte ihn, um die Seele auf ihrem Weg zu begleiten. Der bittere Duft galt als reinigend und schützend – nicht nur für den Verstorbenen, sondern auch für die Hinterbliebenen, die sich vor „Unheil“ bewahren wollten.

Salbei – Reiniger und Symbol der Unsterblichkeit

Salbei (Salvia officinalis) war schon in der Antike als heiliges Kraut bekannt. Sein Name leitet sich von salvare – „heilen“ – ab. In Totenritualen wurde Salbei verräuchert, um Räume zu reinigen und die Übergangszeit zwischen Leben und Tod zu klären. Symbolisch stand er für Unsterblichkeit und Weisheit – eine Erinnerung daran, dass der Tod nicht das Ende ist.

Rosmarin – Erinnerung und Treue

„Ich will dein gedenken“ – dieser Sinnspruch begleitet den Rosmarin (Rosmarinus officinalis) seit Jahrhunderten. Schon im alten Griechenland legte man Rosmarinzweige zu den Toten, und auch im deutschen Sprachraum wurde er als „Totenkräutlein“ geschätzt. Rosmarinsträuße oder Kränze wurden bei Beerdigungen verteilt, manchmal auch direkt in den Sarg gelegt. Sein starker Duft stand für Treue und die bleibende Erinnerung an die Verstorbenen.

Myrte – Reinheit und Ewigkeit

Die Myrte (Myrtus communis) ist im deutschen Klima nicht heimisch, fand aber über Klostergärten und den mediterranen Raum Eingang in unsere Bestattungstraditionen. Sie symbolisierte Reinheit, ewiges Leben und oft auch die Hoffnung auf Wiedergeburt. In manchen Gegenden schmückte man Totenkränze mit Myrtenzweigen – eine Brücke zwischen christlichem Glauben und altem Brauchtum.

Thymian – Stärkung der Seele

Thymian (Thymus vulgaris) war ein starkes Schutz- und Heilmittel. Er galt als Kraftspender für die Seele des Verstorbenen, die die Schwelle zum Jenseits überschreiten musste. Man streute Thymian ins Grab oder nutzte ihn zur Räucherung. Sein Name erinnert an griechisch thymos = „Mut, Lebenskraft“ – ein sprechendes Bild in Zeiten der Trauer.

Wacholder – Begleiter ins Jenseits

Wacholder (Juniperus communis) spielte eine zentrale Rolle in den Bestattungsritualen des Alpenraums. Seine Beeren und Zweige wurden verräuchert, um die Seele zu schützen und böse Mächte fernzuhalten. Bis heute kennt man den Brauch, in manchen Regionen bei einer Beerdigung Wacholderrauch im Haus aufsteigen zu lassen. Gleichzeitig steht die immergrüne Pflanze für das ewige Leben.

Efeu – das Immergrüne

Efeu (Hedera helix) ist eines der bekanntesten Symbole für Beständigkeit und Unvergänglichkeit. Als immergrüne Pflanze rankt er über Mauern und Gräber, erfasst alles und lässt es nicht los – ein Sinnbild für Treue über den Tod hinaus. Schon im Mittelalter flocht man Efeu in Grabschmuck und Totenkränze.

Ysop – Reinigung und Segnung

Ysop (Hyssopus officinalis) ist vor allem aus der Bibel bekannt: „Entsündige mich mit Ysop, dass ich rein werde“ (Psalm 51,9). Im Bestattungsbrauchtum wurde Ysop verräuchert oder in Segnungen verwendet. Er galt als heiliges Kraut, das den Übergang ins Jenseits erleichtern sollte.

Schafgarbe – Heilung und Übergang

Die Schafgarbe (Achillea millefolium) gehörte zu den sogenannten „Totenkräutern“. Ihr wurde eine besondere Verbindung zur Heilung und zum Übergang nachgesagt. Sie war in Sträußchen enthalten, die man Toten mitgab, und galt als Trost für die Hinterbliebenen.

Lavendel – Ruhe, Reinigung und Erinnerung

Der Lavendel (Lavendula augustifolia) steht für Reinheit, Ruhe und Schutz. Er galt als Pflanze, die das Seelenheil unterstützt und den Übergang ins Jenseits erleichtert. Sein Duft wirkt beruhigend auf die Trauernden und symbolisiert gleichzeitig die Reinheit der Seele des Verstorbenen. In modernen Ritualen steht der Lavendel für Inneren Frieden und Trost.

 

Auch wenn viele alten Bedeutungen heute vergessen sind, entdeckt man sie im Alltag immer wieder. Auf Friedhöfen sieht man oft Efeu, in Kränzen Buchsbaum oder Tannenzweige. Lavendel in Gedenkgärten schenkt Ruhe und symbolisiert das Weiterleben der Seele. Kräuter helfen die Trauer bewusst zu gestalten und verbinden uns mit einer jahrhundertealten Tradition.

 

Kräuter wie Salbei, Rosmarin, Thymian und Lavendel sind Zeichen: Schutz, Erinnerung und Hoffnung. Ein Strauß aus diesen Pflanzen wird so zu einem starken Symbol – die Verbundenheit bleibt, auch über den Tod hinaus.

 

In Gedenken an Marion Thömmes, * 27.05.1967 – 19.09.2025

 

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